Wikingerdämmerung - Zeitenwende im Norden
Im Jahr 1066 überfällt ein slawisches Heer den weit über Europa hinaus bekannten Seehandelsplatz Haithabu und zerstört ihn. Unmittelbar darauf gründet sich wenige Kilometer entfernt davon dieser Seehandelsplatz an dem Ort neu, der heute Schleswig heißt. Im selben Jahr eroberte Wilhelm, der Herzog der Normandie, England. An beiden Orten markieren diese Ereignisse eine Zeitenwende. Eine gemeinsame Ausstellung des Museums für Archäologie Schloss Gottorf, des Wikinger Museums Haithabu und des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) spürt diesen Ereignissen und ihren Folgen nach. Wikingerdämmerung – Zeitenwende im Norden präsentiert vom 16. April bis 2. November im Kreuzstall und in der Reithalle auf über 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche herausragende archäologische Funde und aktuelle Forschungsergebnisse. Schatzfunde aus Gold und Silber, Jahrhunderte alte Schriften und der sensationelle Nachdruck des 68 Meter langen Teppichs von Bayeux: In der Highlightausstellung der Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen 2025 dreht sich alles um die
späte Wikingerzeit und ihre Erforschung.
Zu sehen sind archäologische Funde aus den zahlreichen Ausgrabungen und Detektorbegehungen der letzten Jahre in Haithabu und Schleswig, die nie zuvor ausgestellt wurden. Einige Exponate, darunter aufwändig verzierte Steigbügel aus dem 11. Jahrhundert, wurden in den Restaurierungswerkstätten von Schloss Gottdorf und am LEIZA sorgfältig analysiert und teilweise freigelegt, so dass der behutsame Prozess vom Originalfund zum Ausstellungsstück eindrücklich nachvollzogen werden kann. Darüber hinaus zeigt die Ausstellung bedeutende Schatzfunde aus dem nördlichen Schleswig-Holstein sowie wertvolle Leihgaben aus Museen, Archiven und Bibliotheken Deutschlands, Skandinaviens, Englands und Frankreichs. Beispielsweise ist der komplette Morsumer Schatzfund von der Insel Sylt mit der fantastischen Ringfibel im Zentrum zu sehen, aber auch die silberne Prachtfibel von Sutton /Isle of Ely aus dem British Museum in London, eine frühe Handschrift der berühmten Gesta Danorum (eine der ersten Geschichtsbeschreibungen Dänemarks) und eine Ausgabe des „Tacitus“ aus dem 16. Jahrhundert.
Eine zentrale Rolle, nicht nur optisch, nimmt in der Ausstellung der Nachdruck des Teppichs von Bayeux ein, der als Weltdokumentenerbe der UNESCO im Original ausschließlich in der französischen Kleinstadt Bayeux (Frankreich) zu sehen ist. Eigens für die Gottorfer Ausstellung wurde mit dem Museum in Bayeux eine Kooperation vereinbart, durch die nicht nur der Nachdruck des 68,38 Meter langen und 53 Zentimeter breiten Leinenteppichs, sondern auch wichtige Leihgaben möglich geworden sind. Noch nie ist der Teppich von Bayeux in annähernd originaler Größe in Deutschland zu erleben gewesen. Erstmals öffentlich ausgestellt sein wird in diesem Kontext das jüngst im Fundus des Landesarchivs entdeckte Fragment des Teppichs, das im Zuge von Forschungsarbeiten im Rahmen des SS-Ahnenerbes aus Bayeux entwendet wurde und den Weg nach Schleswig-Holstein fand.
Auf den Teppich von Bayeux nimmt gleich zu Beginn der Ausstellung im Kreuzstall ein beeindruckendes zeitgenössisches Werk der Künstlerin Margret Eicher Bezug. Der Teppich von Bayeux inspirierte sie 2022 zu ihrem 30 Meter langen Bildteppich Battle Reloaded. Szenen von Kampf und Eroberung. Margret Eicher schuf in den vergangenen 20 Jahren ein eindrucksvolles Œuvre großformatiger textiler Arbeiten, die sich medienkritisch mit den Bildwelten auseinandersetzen, die uns in Werbung und Nachrichten tagtäglich begegnen. Die profanen Motive verfremdet die Künstlerin digital und bringt sie oft in einen Kontext zu bekannten Werken der Kunstgeschichte.
Was genau aber war eigentlich die Wikingerzeit? Welche politischen, wirtschaftlichen und religiösen Veränderungen sind mit ihrem Ende verbunden und waren es derart gewaltige Veränderungen der Wertevorstellungen, dass von einer Zeitenwende gesprochen werden kann? Multikulturelles Neben- und Miteinander, wirtschaftliche und politische Krisen bis hin zu Kriegen prägten die Epochengrenze zwischen der Wikingerzeit und dem christlichen Mittelalter. Wie hat sich der Blick auf diese skandinavische Kultur des Frühmittelalters seit dieser Zeit gewandelt und was gab den Ausschlag für die unterschiedlichen Perspektiven, von denen aus Menschen seit Jahrhunderten mit besonderem Interesse auf die Wikingerzeit blicken?
Antworten auf diese und weitere Fragen bietet die Ausstellung mit Hilfe der Ergebnisse dreier Forschungsprojekte. Das Museum für Archäologie hat mit dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der CAU Kiel im Rahmen eines von der Volkswagen-Stiftung finanzierten Projekts den Übergang von Haithabu nach Schleswig erforscht. Gab es beide Orte nebeneinander, oder erkennen wir einen erst durch die Zerstörung Haithabus ausgelösten Umzug des Hafens am Noor an das besser zu sichernde Nordufer der Schlei?
Im zweiten Projekt – beheimatet am Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) – dreht sich alles um politische Machtverhältnisse zwischen Nord- und Ostsee, es setzt sich mit frühen skandinavischen Königssitzen auseinander, den sogenannten huseby-Orten. Es sind unter anderem solche Zentren der Macht, die unser Verständnis von Wandel und Kontinuität schärfen können.
„Mythos Wikinger – Konzeption und Rückwirkung auf die museale Ausstellungspraxis“ heißt das dritte Projekt, das an der Universität Göttingen betreut wird. Auch ihm verdankt die Ausstellung den aktuellen wissenschaftlichen Hintergrund für die Bewertung von Rezeption und Antizipation der Wikingerzeit und des Wikingerbegriffs bis in die Gegenwart.
Das Erlebnis der dreisprachig aufbereiteten und zudem fast komplett in Gebärdensprache übersetzten Ausstellung reicht über die bestaunenswerten Exponate und die hochaktuellen Forschungsergebnisse hinaus: Ein für Menschen jeden Alters und Vorwissens nutzbares Forschungslabor lädt zur Vertiefung und zum spielerischen Umgang mit ausgewählten Themen ein und animierte Bilder bringen uns die Lebenswelt des 11. Jahrhunderts wieder. Zudem bietet ein Begleitprogramm aus Führungen, Workshops und Veranstaltungen weitere Gesprächsanlässe.
Projektleitung:
Dr. Ralf Bleile (Schloss Gottorf) | Prof. Dr. Dieter Quast (LEIZA)
Kuratoren der Ausstellung:
Dr. Thorsten Lemm (LEIZA), Franziska Lichtenstein M.A. (Schloss Gottorf),
Dr. Volker Hilberg (Schloss Gottorf)
Wikingerdämmerung – Zeitenwende im Norden: 16. April – 02. November 2025 Museumsinsel Schloss Gottorf / Kreuzstall+Reithalle
Die Ausstellung wurde vom Museum für Archäologie in der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, dem Wikinger Museum Haithabu und dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) am Standort Schleswig gemeinsam entwickelt, realisiert und finanziert.
Weiterhin wird das Projekt ermöglicht durch die
Kulturstiftung der Länder, den Förderverein für Archäologie Schloss Gottorf, durch die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein, das Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, den Freundeskreis Schloss Gottorf, durch die Sparkassen in Schleswig-Holstein und die Provinzial Versicherung.
Information, Buchung: +49 (0) 4621 813 222 | service@landesmuseen.sh
Öffnungszeiten:
Dienstag – Freitag 11-17 Uhr | Samstag + Sonntag 11-18 Uhr |
(Montag geschlossen)
Der Katalog: Das Buch zum Ausstellung, herausgegeben von Dr. Ralf Bleile und Prof. Dr. Dieter Quast, ist im Verlag Michael Imhof (ISBN 978-3-7319-1479-2) erschienen und kostet im Buchhandel und im Shop des Museums auf Schloss Gottorf 29,95€. Auf 240 Seiten werden mehr als 500 Abbildungen gezeigt.
Hinweis zum Ticketing: Eintritt Sonderausstellung „Wikingerdämmerung"
Für den Besuch der Sonderausstellung "Wikingerdämmerung – Zeitenwende im Norden" vom 16.04. bis 02.11.2025 auf der Schleswiger Museumsinsel benötigen Besuchende ein gesondertes Ticket.
• Tages-Ticket "Wikingerdämmerung - Zeitenwende im Norden", Erwachsene 12 Euro, ermäßigt 10 Euro, Familie 25 Euro, Kinder/Jugendliche 4 Euro.
• Insel Kombi-Ticket, Besuch Sonderausstellung "Wikingerdämmerung - Zeitenwende im Norden" + Ausstellungen im Schloss Gottorf und in der Nydamhalle, Gültigkeit 1 Tag. Preise: Erwachsene 17 Euro, ermäßigt 14 Euro, Familie 35 Euro, Kinder/ Jugendliche 5 Euro.
• Wikinger Kombi-Ticket, Besuch Sonderausstellung „Wikingerdämmerung - Zeitenwende im Norden“ + Besuch Wikinger Museum Haithabu, Gültigkeit 3 aufeinanderfolgende Tage, an denen Sie jeweils einmal die Sonderausstellung und das Wikinger Museum besuchen können. Preise: Erwachsene 17 Euro, ermäßigt 14 Euro, Familie 35 Euro, Kinder/ Jugendliche 5 Euro.